Montag, 21. Dezember 2009

Beobachtung : Morgens in Frankfurt ...

Es ist ein Montag.
Es ist ein Montagmorgen.




Es ist grade 8.43 Uhr und ich befinde mich in Frankfurt. Genauer gesagt befinde ich mich unter Frankfurt – Unten, in der Station „Konstablerwache“. Ich habe etwas Zeit, Zeit um die Woche langsam angehen zu lassen. Meine Bahn kommt erst um 9.22 Uhr.

Ich bemerke ein Café, welches ich noch nie dort unten wahrgenommen habe. Wahrscheinlich war ich einfach immer zu schnell weg, wahrscheinlich wollte ich auch von hier schnell weggehen.

Warum sollte man denn auch hier gerne sein?

Es ist 8.46 Uhr und ich lasse mich hier nieder, mitten auf einem Stuhl unten bei der „Konsti“. Ich bestelle einem Kaffee. Einen Kaffee - schwarz, ohne Milch und ohne Zucker. Ich bin noch etwas müde.

Mein Kaffee kommt sofort, er dampft und riecht stark nach Bohne. Genau das richtige am Montagmorgen. Ich gönne mir einen Schluck und der Intensiv-Herbe Geschmack umspielt meinen Gaumen. Es ist 8.48 und ich lehne mich zurück. Ich schaue mich um …

Komisch, aus diesem Blickwinkel habe ich die „Konsti“ noch nie gesehen. Ich sehe den Obst-und Gemüse Händler, der gut gelaunt seine Waren anbietet. Direkt neben mir befindet sich die „U-Backstation“, eine Selbstbedienungs-Bäckerei. Ich sehe eine kleine Menschen Schlange von etwa 8-9 Personen, die sich für den Morgen rüstet. Ein Brötchen und einen coffe to go, ein Laugenbrezel und ein coffe to go, eine Käse-Schinken-Stange und … natürlich einen coffe to go!

Ich nehme noch einen Schluck von meinem Kaffee und schaue auf die Uhr. Es ist 8.53 Uhr.

Ich schaue mich um und bemerke, dass hier ein ganzes „Business“ stattfindet.
Ein ganzes Business um die Leute „fit für den Morgen“ zu machen. Ich sehe Bäckereien, ein Café, Zeitungsverkäufer und selbst der Obst-und-Gemüse Händler verkauft seine „Vitamin Drinks“ für den Morgen. Der Morgen scheint die Umsatzstärkste Zeit hier zu sein. Interessant, denke ich mir und nehme einen größeren Schluck von meinem Kaffee. Ich spüre wie mein Herz anfängt schneller zu schlagen, ich merke wie das Koffein meinen Herzschlag beschleunigt und das Blut in meine Gefäße pumpt. Mir wird warm!

Es ist 8.59 Uhr.
Ich lausche der Geräuschkulisse. Erstaunlicherweise ist es nicht so laut wie man denken würde. Man hört Frauenschuhe „tik-tik-tik...“ ,man hört das Rascheln der Papiertüten von der Bäckerei, man hört wie die U-Bahn ein-und abfährt, man hört die Rolltreppe und man hört dumpfes Gemurmel.


Es ist 9.02 Uhr
Ich nehme noch einen Schluck Kaffee, der langsam anfängt zu wirken. Ich bin nicht mehr müde.

Plötzlich wird es laut, wie eine Welle, die über einen schwappt: eine Gruppe Schüler, etwa 14-15 Jahre alt, kommt die Rolltreppe hoch. Man hört Gelächter, Geschrei und Handymusik. Ich sehe wie sich einige Jungs zum Spaß schubsen, wie ein Junge ein Mädchen hinterher rennt, wie einer dem anderen die Mütze vom Kopf reißt und dabei rückwärts flüchtet.

Dann ist es wieder vorbei.
Ruhe.

Ich kann hören wie die Tassen klirren, wie die Tabletts von der SB-Bäckerei gestapelt werden, ich höre wie eine Zeitung umgeschlagen wird, ich höre das Mahlen der Kaffemaschine, ich höre wie die Kasse auf –und zu geht und wieder höre ich die Stöckelschuhe einer Frau, die hart auf den Betonbeton auftritt.

Ich rieche Kaffee und den süßlichen Duft von frischen Brötchen, die sich mit dem typischen „U-Bahn Geruch“ vermischen. Ich spüre einen leichten Windzug, eine U-Bahn fährt grade ein.

Ich nehme noch eine Schluck vom - mittlerweile lauwarmen- Kaffee. Es ist nun 09.08 Uhr.

Es ist wie eine Welle. Ich erkenne einen Rhythmus. Mal kommen ganz viele Menschen hoch – es sind etwa 100-130, und dann wird es ganz kurz laut. Einen Augenblick später sind vielleicht grade mal 10 Menschen auf der B-Ebene unterwegs und man kann jedes einzelne Geräusch wahrnehmen. Dann wieder Ansturm, dann Ruhe, Ansturm, Ruhe , …

Ich sehe Leute die in Hektik sind, Menschen mit Zeitungen unter Arm und einem Pappbecher in der Hand. Ich sehe Männer und Frauen die grade, zielgerichtet und schnell voran schreiten. Ich sehe Jugendliche die anfangen zu rennen. Ich sehe erwachsene Männer, Mitte Vierzig mit weißen IPod Kopfhörern. Ich sehe Personen, die alle ähnlich angezogen sind. Dunkelgraue oder Schwarze Mäntel, Jeans und oft haben Männer kleine Reisekoffer auf Rädern dabei. Die Menschen scheinen keine Zeit mehr zu haben. Keine Zeit um in Ruhe zu frühstücken. Keine Zeit um in Ruhe Kaffee zu trinken. Keine Zeit um gemütlich die Zeitung zu lesen. Die Menschen versuchen immer mehr Dinge in einer immer kürzeren Zeit zu erledigen. So sieht man hetzende Menschen, die gleichzeitig Essen, Kaffee trinken, Musik hören und dabei hin und wieder auf die Schlagzeile ihrer Zeitung starren.


Haben die Neuerungen wirklich dazu beigetragen, dass wir mehr Zeit haben? Schmeckt ein Kaffee aus dem Pappbecher besser als aus der Tasse?

Warum herrscht morgens immer so eine Hektik?
Morgens sind die meisten Menschen alleine. Egal ob sie sonst auch eher Einzelgänger sind oder nicht. Kann es sein, dass sich die Menschen am Morgen ablenken wollen? Kann es sein, dass sie sich von ihrer Einsamkeit ablenken wollen? Ablenken mithilfe von Musik und Zeitung, Mithilfe von Essen und Kaffe?

Wollen wir die Arbeit, die Schule, die Uni oder sonst was schnell erreichen weil wir uns in Wirklichkeit nach Sozialer Anerkennung sehnen?

Eigentlich könnte man doch die halbe Stunde am Morgen gut alleine genießen, mal über sich nachdenken. Wann Hast du das letze Mal deinen Herzschlag bewusst wahrgenommen? Wann hast du das letze Mal deinen Atem intensiv gespürt? Wann hast du das letze Mal morgens an der B-Ebene einen Kaffee in Ruhe getrunken?

Es ist 9.19 Uhr. Ich stehe auf und zahle.
Ich muss mich beeilen…ich komme zu spät….

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